Mit Begeisterung und Herzblut

60 Jahre Universitätsorchester Duisburg-Essen
(von Kathrin Lohmeyer)

Es begann ganz klein, fast familiär: Das allererste Konzert des Universitätsorchesters fand in ungewöhnlichem Rahmen statt – im Foyer der Strahlenklinik. Der beengte Ort bot nur wenigen Zuhörern Platz. „Und dann dieses ewige Auf und Zu der Aufzugstüren“, erinnert sich Siegfried Scheytt mit einem Schmunzeln. Der Musiker leitete das Ensemble fast drei Jahrzehnte lang. Doch von diesen bescheidenen Anfängen ließ sich niemand abschrecken: Im Wintersemester 1964/1965 hatten Medizinstudentinnen und Medizinstudenten, die von Münster nach Essen gewechselt waren, das Orchester gegründet – mit dem festen Willen, die Musik aus Münster mit nach Essen zu bringen.


Evi Hett, eine der Mitbegründerinnen und leidenschaftliche Geigerin, erzählt: „Wir wollten unbedingt weiterspielen und suchten Gleichgesinnte.“ Doch zu jener Zeit war Essen noch weit davon entfernt, eine Universitätsstadt zu sein, geschweige denn ein Universitätsorchester zu haben. So begann alles im Uniklinikum: Erst im klinikeigenen Kindergarten auf winzigen Stühlchen, dann im Altstadthaus nahe der Kreuzeskirche. Dort wirkte Siegfried Scheytt als Kantor und Organist und formte das kleine Ensemble zu einem respektablen Sinfonieorchester. Unter seiner Leitung wuchs und reifte das „Collegium musicum“ – wie es damals hieß – heran. 1971 zog das Orchester ins Audimax des Klinikums, das fortan Proben- und Konzertsaal wurde.

Ein Sprung auf die großen Bühnen

Schon damals galten die Semesterabschlusskonzerte im Audimax als kultureller Höhepunkt der noch jungen Gesamthochschule Essen, die erst 1972 gegründet wurde. Der größte Hörsaal platzte regelmäßig aus allen Nähten. Heute, ein halbes Jahrhundert später, spielt das Universitätsorchester in der ersten Liga der deutschen Hochschulorchester und ist aus dem kulturellen Leben der Region nicht mehr wegzudenken.

Mit seinen fast 100 Mitgliedern überrascht das Ensemble regelmäßig mit außergewöhnlichen Programmen, die bekannte und weniger bekannte Werke der Konzertliteratur auf spannende Weise miteinander verbinden. Die Auftritte finden heute in den besten Sälen der Region statt – von der Philharmonie Essen, dem größten Konzertsaal der Stadt, über das renommierte Theater Duisburg und die Halle 12 des Weltkulturerbes Zeche Zollverein bis hin zur Essener Erlöserkirche.

Ein Dirigent mit Visionen und Schwung

Einen neuen Glanz erhielt das Orchester unter der Leitung von Oliver Leo Schmidt. Der Karajan-Dirigentenpreisträger und Professor an der Folkwang Universität der Künste führt das Ensemble seit 2002 mit Leidenschaft, Temperament und kreativer Leichtigkeit. Dabei war der Einstieg alles andere als geplant: „Ich bin damals ins kalte Wasser gesprungen“, erzählt er. Bis dahin hatte er nur mit Profiorchestern gearbeitet hatte. Internationale Orchester wie die Philharmonie de Lorraine/Metz, das Rundfunkorchester Tirana/Albanien, das Orchestra Filharmonica del Teatro Bellini/Catania und echte „Ruhrgebietsgrößen“ wie die Philharmonia Hungarica, die Duisburger Philharmoniker, Bochumer Symphoniker oder die Neue Philharmonie Westfalen zählen zu seinen Referenzen.

Doch schon bald entdeckte Schmidt seine Begeisterung für die Arbeit mit den Hobbymusikern des Universitätsorchesters: „Diese Leidenschaft, diese Hingabe – das ist etwas, was selbst manchen Profis fehlt.“ Unter seiner Leitung hat sich das Ensemble zu einem beeindruckenden Klangkörper entwickelt, der regelmäßig mit spannenden Solisten konzertiert. Neben jungen Talenten treten immer wieder auch international erfolgreiche Musikerinnen und Musiker auf.

Einzigartige Kooperationen und Innovationen

Schmidt ist auch der Initiator einer einzigartigen Vernetzung zweier Ausbildungsinstitute in NRW. Seit dem Wintersemester 2005/2006 arbeitet das Orchester mit der Folkwang Universität der Künste zusammen: Dirigierstudierende des Fachbereichs 2 erhalten die Möglichkeit, vor dem Universitätsorchester erste dirigentische Erfahrungen zu sammeln. Seit dem Sommersemester 2018 ist zudem die Stiftung Zollverein ein wichtiger Kooperationspartner des Orchesters.

Auch in schwierigen Zeiten hat das Orchester Wege gefunden, die Musik zum Publikum zu bringen: Im Januar 2022 wurde erstmals ein Festkonzert der Universität in der Philharmonie online eingespielt. Wegen der Pandemie war ein Live-Auftritt nicht möglich, doch das Konzertvideo mit dem Titel „Starke Stücke“ konnte ab dem 6. Februar 2022 auf YouTube oder der Website des Orchesters abgerufen werden – und wurde bis heute mehr als 8.000 Mal angesehen.

Ein kulturelles Highlight mit großer Vielfalt

Das Universitätsorchester bringt nicht nur Musik, sondern auch Menschen zusammen: Studierende aller Fachrichtungen, Alumni, Dozentinnen, Dozenten und musikbegeisterte Berufstätige aus der Region arbeiten jedes Semester gemeinsam an anspruchsvollen Programmen. Dabei wird der soziale Zusammenhalt großgeschrieben. Nach Konzerten wird gemeinsam gefeiert, im Sommer gibt es Grillfeste und für die intensiven Probenwochenenden geht es in idyllische Orte wie Remscheid oder an den Rhein nach Bonn.

60 Jahre Universitätsorchester – das bedeutet 60 Jahre Leidenschaft, Hingabe und kulturelle Vielfalt. Ein Klangkörper, der nicht nur eine Universität, sondern eine ganze Region musikalisch bereichert.